8. Die
Zone Machu Picchu
8.1 Allgemeines
zur Zone Machu Picchu
Unter der Zone von Machu Picchu verstehe ich das
gesamte Gebiet zwischen Aguas Calientes und der Station Hidroélectrica sowie zwischen
dem Berg Waynapicchu, dem Berg Machu Picchu und dem Sonnentor Intipuncu.
Plan der Zone Machu Picchu © Carl Niemann
Besichtigt man die Zone Machu Picchu aufmerksam, dann findet man wie in
anderen prähistorischen Stätten auch die unterschiedlichsten Baustile vor, die
hauptsächlich von der Art und Größe der verwendeten Steine bestimmt sind:
behauene Felsen, riesige Werksteine, große Werksteine, kleinere Werksteine.
behauene Felsen © Carl Niemann
riesige Werksteine © Carl Niemann
große Werksteine © Carl Niemann
kleinere Werksteine © Carl Niemann
Daraus folgt, dass auch Machu Picchu über verschiedene Epochen hinweg erbaut wurde und die Inka nur bereits vorhandene Bauten genutzt oder überbaut haben. Diese Behauptung resultiert auch aus der Tatsache, dass sich besonders an den Wak'as und dem Intihuatana diluviale Ausrichtungen nach dem Nordazimut 21° nachweisen lassen.
Im Folgenden werden nur die Untersuchungsergebnisse vom März 2015
beschrieben, nicht aber eine Gesamtanalyse von Machu Picchu.
8.2 Die Wak‘as auf dem Weg zum Sonnentor
Am Rand des Weges von Machu Picchu Stadt zum Sonnentor befinden sich zwei nicht
zu übersehende Wak’as. Wak’a ist das Quetschua-Wort für eine heilige Stelle und wird auch Huaca
geschrieben ( wie zum Beispiel Teotihuacan).
Die erste Wak’a befindet sich einen halben Kilometer vom Rand der Stadt entfernt, wenige
Meter oberhalb des Weges und besteht aus einem aufrecht stehenden Felsen und einem Vorplatz, der mit niedrigen Mauern umrandet und unterteilt ist.
Wak'a 1 © Carl Niemann
Dieser Ort weist drei Besonderheiten auf, die erklären, warum es
sich hierbei um eine Wak’a handelt. Die erste Besonderheit besteht darin, dass
die riesige Frontfläche des Felsens und damit die danach ausgerichteten Mauern
ein Azimut von 21° aufweisen. Dieses ist eine zweifelsfreie, messbare Tatsache.
Plan Wak'a 1 © Carl Niemann
Die zweite Besonderheit ergibt sich aus Folgendem: unterstellt man, dass diese Richtung zu
prähistorischer Zeit die Nordrichtung war und sich Machu Picchu auf der
nördlichen Breite von 7,2° befand, dann stand die Sonne mittags, zur Tag- und
Nachtgleiche genau über diesem Felsen, denn seine Fläche ist 23,5° - 7,2° =
16,3° geneigt. Die dritte Besonderheit besteht darin, dass die Begehungen des Vorplatzes
im Jahre 2012 und 2015 mit einer
Wünschelrute in Form von zwei Winkeln aus 32 cm langem Eisendraht (Varita
mágica / Dowsing) ergab, dass sich unter dem Vorplatz Wasserschichten befinden. Wenn
auch diese Methode des Wasserfindens wissenschaftlich nicht anerkannt ist, so
existiert sie trotzdem. Außerdem ist bekannt, dass in der unmittelbaren Nähe eine
wasserführende, geologische Verwerfung (Fault / falla) und 50 m hangabwärts
zwei Quellen mit einem Kanal zur Stadt Machu Picchu existieren (siehe:
http://www.waterhistory.org/histories/machupicchu/).
Die zweite Wak’a findet man nach einem weiteren halben Kilometer weiter, direkt am
Weg. Diese besteht aus einem kleinerem, aufrechtstehenden Felsen (im Vergleich
zur ersten Wak’a) und einem mehr als einem Meter hohem Felsblock im Durchmesser
von drei Metern mit unterschiedlichen Bearbeitungsspuren. Diese führen zu der
Vermutung, dass es sich hier um die Reste eines Intihuatana handeln könnte. Zwischen
diesem „Intihuatana" und dem Felsen befinden sich teilweise relativ gut erhaltene
Mauern aus sparsam behauenen Werksteinen, die eher an ein Durchgangsbauwerk
erinnern als an eine heilige Stätte. Ungeachtet dessen steht der aufrechte
Felsen in Front des Azimutes 21°.
Wak'a 2 Felsen mit Mauern © Carl Niemann
Mögliche Ausrichtungen der Strukturen der Reste des "Intihuatana" kann man nicht mehr erkennen.
Wak'a 2 Intihuatana-Rest © Carl Niemann
8.3 Der Intihuatana von Machu Picchu
Über diesen Intihuatana wurde bereits viel gerätselt. Seine Funktion konnte bisher noch nicht erklärt werden. Ein Kenner dieser Sache (Erwin Salazar Garcés, der astronomische Direktor des Cuscoer Planetariums) schreibt hierzu wie folgt:
In allen der großen Zeremonialzentren und Stätten des Tawantinsuyu (= Reich der vier Weltgegenden) existierten Landmarken, steinerne Konstruktionen von eindrucksvoller Ausführung der feinen Verarbeitung, welche zu Beobachtungen und zu Ritualzeremonien für den Sonnengott dienten. Von denen ist nur einer in seinem Originalzustand erhalten geblieben und wurde nicht zerstört während der Zeit der sogenannten Ausrottung der Götzenanbetung. Das ist der so genannte „Intiwatana“ von Machupicchu, die Stadt, welche durch die Spanier nicht betreten wurde.
Wenn man im Internet das Wort “Intiwatana“ sucht oder einen uninformierten Führer fragt, wird man von beiden dezidiert gesagt bekommen, das Wort bedeute „die Stelle, wo man die Sonne anbindet“, einfach weil diese Erklärung eine sehr leichte und allgemeinverständliche Schlussfolgerung darstellt.
Aber welche Bedeutung hat dieses Wort in Wahrheit? „Intiwatana“ stammt von zwei Komponenten ab: Inti = Sonne, wata = Jahr und die Komplettierung mit dem Suffix na zeigt eine Möglichkeitsform an. Mit diesem Modus wird watana zu einem Ausdruck der „anualizacion“ (= jährliche Wiederkehr des Endes oder Ende eines Zyklus, einer Epoche). Wir dürfen nicht vergessen, dass Quechua eine Sprache mit sehr vielen Synonymen ist, so dass wata auch von dem Verb watay kommen kann, welches binden oder anschnallen bedeutet.
Garcilaso de la Vega stellte eine Definition des wata auf und sagte: „...die Inka stellten sich vor, dass sich der Lauf der Sonne in einem Jahr vollendet, was sie wata nannten: das ist der Name und bedeutet Jahr, aber die gleiche Diktion ohne Änderung von Aussprache oder Akzent, in einem anderen Sinne bedeutet atar = gebunden.
Wie man sieht, bezeichnet man den zweiten Teil des Wortes Intiwatana unbestritten mit Jahr und ich glaube, dass es so korrekt ist. Andernfalls würden wir uns fortgesetzt irren.
Kann man an die Sonne „anbinden“? Könnte sich ein einfacher Sterblicher trauen, eine Gottheit anzubinden? Weder symbolisch noch metaphorisch könnte solch eine Sache akzeptiert werden. Das wäre eine Absurdität, ein wahres Sakrileg. Unsere Inka waren keine Ignoranten, weder zu dumm noch zu naiv, um groß etwas Wiedersinniges zu unternehmen. Obgleich es wahr ist, dass es Chroniken gibt, welche von der Existenz einer Statue aus purem Gold berichten, welche die Sonne repräsentierte und welche P‘unchau (P’unchaw = der Tag) genannt wurde. Diese befand sich in der Qorikancha (Qori = Gold und Kancha = Corral) und ich bezweifle, dass sie jemals für eine Zeremonie „gebunden“ worden war. Während der Kolonialisierung ist es passiert, dass mit diesen und jenen Worten auch die Sitten und Traditionen denaturiert, verzerrt, abgewertet und verflucht wurden, um die Größe des Tawantinsuyu zu schmälern. Wer jetzt immer noch der Meinung ist, dass die Inka ein goldenes Bild der Sonne mit den Instrumenten zu rituellen Zwecken banden, der tut nichts als seine Ignoranz der Kultur unserer Vorfahren nachzuweisen.
Beachten Sie, dass die Schreibweise „Intihuatana“ erst vor kurzem, im19. Jahrhundert erschienen ist, als 1856 Clement Markham, ein englischer Forscher diese aus der Taufe hob, als er einen großen Felsen registrierte, welcher sich oberhalb von Ollantaytambo befindet; einige Jahre später, 1877 wiederholte der gelehrte Reisende George Squier die Bezeichnung „Intihuatana“ in seinen Texten über die Benennung der Sukanqa von Machupicchu (mehr oder minder große Monolithen, meistens aufgerichtet), schließlich wurde es populär, als Bingham seine berühmtes Buch veröffentlichte. Kein Chronist nahm Bezug auf die Bezeichnung „Intihuatana“, daher schlussfolgerte man, dass das eine Quechua - Wortschöpfung ist, ein Wort, das nachträglich aufgenommen wurde und andere ersetzt, welche diese herrlichen Steinartefakte repräsentieren: dieser Sukanqa oder steinerne Gonom war bestimmt zur Beobachtung der verschiedenen Sonnenpositionen.
Außerdem denken wir aus astronomischer Sicht (wie es für diesen Zweck verwendet wurde), müsste das Wort richtig lauten Intiqwatanan. Mit dieser Benennung, die am meisten logisch und real ist, können wir die richtige Übersetzung geben:
Intiqwatanan = Annualisation der Sonne oder mit anderen Worten: Höhepunkt oder Abschluss eines Sonnenjahres
Die Priester und Hamaut’as (= Quechua: Gelehrte und Philosophen), erfüllt von Wissen und Information, waren die Verantwortlichen für die Planung von großen religiösen Ereignissen des gesamten Reiches. Ihr Zeitplan basierte auf der Beobachtung der Sonne, ihrer Bewegung sowie der Bewegung der Sterne und Sternbilder, um die Daten exakt zu nennen.
Die Archäoastronomie konnte bisher noch nicht mit Präzision die astronomische Funktion des „Intiwatana“ von Machupicchu erklären, deshalb konnte auch noch nicht genau die wahrscheinliche, astronomische Ausrichtung festgestellt werden, welche anzunehmen wäre. Für die Projektion des Schattens, welchen die Sonne während den Wenden und den Tag- und Nachtgleichen machen würde, gibt es keine Mauern oder Stellen in seiner Umgebung wo er sich abbilden müsste, weder Markierungen, Punkte, Fenster, Steine oder irgendetwas was als Bezug dienen könnte, um solche Aufzeichnungen machen zu können. Die wahrscheinlichsten Orte für die Beobachtung der Sonnenwenden würden an einer Treppe sein, welche an der Seite O-SO an den Intiwatana heranreicht und die mit Blick auf den steinernen Gnomon dazu dienen würden, den Sonnenaufgang am 21. Juni zu beobachten. Außerdem von der Ecke O-NO der Seitenwände, die den Intiwatana umgeben, in Richtung des Gnomon blickend, zeigt das die Richtung des Sonnenaufganges zur Sommersonnenwende am 22. Dezember.
Abgesehen davon sind die Winkel, welche die Spitze des steinernen Gnomons bilden, der einzige geografische Bezug zu den vier Himmelsrichtungen, den man präzise bestimmen könnte.
Darüber hinaus glaubt man, dass der steinerne Gnomon sehr gut einige Positionen des Zenit der Sonne anzeigen kann bzw. Angaben, wenn die Schatten von den Flächen des Gnomons ganz verschwinden. Leider kann man diese Messung wegen des Bruches des Steines des Intiwatana nicht überprüfen, oder wegen tektonischer Veränderungen der Erdkruste (kleine und große Erdbeben), welche im Laufe der Jahre tatsächlich die Funktionsweise der steinernen Artefakte veränderten. Wie bekannt ist, sind die Anden in ständigem Wachstum und ihr Einfluss auf die Oberflächengestalt der Erde wird bestimmt durch seine Schwankungen über eine lange Zeit.
Johann Reinhard führt die Charakteristik der „heiligen Geografie“ als Sinn- Zusammenhang auf die jeweiligen Flächen des „Intiwatana“ zurück mit den Bergen der Götter oder Heiligen, die Machupicchu umrahmen und beschützen. So ist der Waynapicchu im Norden, der Salkantay im Süden, der Waqaywillka (Veronika) im Osten und die Bergkette von Pumasillu im Westen. Reinhard beruft sich auch auf Rowe, der gesagt hat, dass der in Frage kommende Stein den Geist der Berge dort symbolisiert, wo dieser angeordnet wurde. Offensichtlich ist das eine andere Art von Interpretationen, die von der klassischen Erklärung der Sonnenuhr abweicht oder eine andere Kennzeichnung oder astronomischer Hinweis.
Mit dem „Intihuatana“ von Machupicchu sind wahrscheinlich einige Details gerettet, die uns der Astronomie näherbringen, aber es ist noch nichts entdeckt worden.
Das ist eine ungelöste Aufgabe.
Übersetzung von Carl Niemann Dezember 2012
aus ASRONOMIA INKA von Erwin Salazar Garcés, erschienen im August 2012 in Cusco
Im Zusammenhang mit der Krusten- und Kontinentalverschiebung von Südamerika ergeben sich für den Intihuatana neue Aspekte.
Intihuatana Detail © Carl Niemann
Intihuatana komplett © Carl Niemann
Die Messungen vom März 2015 ergaben folgendes Bild bezüglich der Lage des Intihuatana.
Plan Intihuatanakomplex von Machu Picchu © Carl Niemann
Übrigens, die von „aller Welt“ übernommene Angabe der
Lage des Gnomon zur Ost- Westrichtung von Müller [Sonne, Mond und Sterne über dem Reich der Inka, ISBN 0-387-o5774-9 oder ISBN 3-540-05774-9] mit einem Winkel von
27,5° ist falsch. Sie beträgt in Wirklichkeit 45°+/- 1°.
8.4 Der Intihuatana von Machu Picchu als Anzeiger für die diluvialen Sonnenwenden
Mit der Anordnung des Intihuatana, der Krustenverschiebung, der diluvialen Nordrichtung (Azimut 21°) ergibt sich die Möglichkeit einer eindeutigen, astronomischen Interpretation wie folgt:
1. Vor der Krustenverschiebung und vor der Verdrehung des südamerikanischen Kontinentes befand sich der Intihuatana auf der Breite (Latitude) von +7,2 Grad (Nord).
2. Die nordwestliche Sockelfläche des Intihuatana hat das Nordazimut 21°.
3. Längsachse des Gnomon weist ein Nordazimut von 135° / 315° auf.
Den daraus resultierenden Lauf der Sonne zeigt das folgende Bild.
Lauf der diluvialen Sonne am Intihuatana
von Machu Picchu © Carl Niemann
Mit anderen Worten, die Längsachse des rechteckigen Gnomons des Intihuatana von Machu Picchu zeigte in diluvialer Zeit in Richtung des Sonnenaufganges zum Wintersolstitium einerseits und in Richtung des Sonnenunterganges zum Sommersolstitium andererseits.
Das sind auch die einzigen beiden
Richtungen, in denen es vom Intihuatana ausmöglich ist, die Sonne zu einer Wende auf-
beziehungsweise untergehen zu sehen, denn vor dem Aufgangspunkt zur
Sommersonnenwende und vor dem Untergangspunkt zur Wintersonnenwende versperren
Berge die Sicht.
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Untergang der diluvialen Sonne am Intihuatana
von Machu Picchu zur Sommersonnenwende © Carl Niemann
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8.5 Der Intihuatana del Rio oder Intiwatana de Aobamba
In der Nähe der Bahnstation "Hidroelectrica" befindet sich eine weitere Wak'a, "Intihuatana del Rio" genannt. Außer dem eigentlichen Intihuatana befinden sich dort ein Wasserkanal mit vier Auslässen, ein Stein mit zwei "Himmelsaugen", verschieden bearbeitete Flächen, Mauern, Ruinen und ein weiterer, kleiner intihuatanaähnlicher, behauener Stein. Dieser Ort ist kaum bekannt und vom Dschungel verwildert, aber äußerst interessant.
"Another east-west alignment involves the isolated structure that we have called the Overlook on the lower Llactapata ridge (Sector V: Figure 5). Its eastern balcony faces Machu Picchu peak and provides a view of a stone shrine or usnu down in the Urubamba Canyon that Bingham had called another intihuatana. The Intihuatana site consists of a large sculpted rock, a platform, water channels, waterspouts and basins. A displacement of the shrine by a few meters to the south would cause the Overlook to disappear behind the cliffs of the canyon when seen from the Intihuatana, suggesting the importance of inter-visibility. There are other visual linkages between structures in Llactapata and Machu Picchu."
Intihuatana del Rio oder Intiwatana de Aobamba © Carl Niemann
Wasserkanal am Intihuatana del Rio oder Intiwatana de Aobamba © Carl Niemann
"Himmelsaugen" am Intihuatana del Rio oder Intiwatana de Aobamba © Carl Niemann
Bearbeitete Flächen am Intihuatana del Rio oder Intiwatana de Aobamba
© Carl Niemann
Mauern am Intihuatana del Rio oder Intiwatana de Aobamba
© Carl Niemann
Ruine am Intihuatana del Rio oder Intiwatana de Aobamba
© Carl Niemann
Kleiner Intihuatana am Intihuatana del Rio oder Intiwatana de Aobamba
© Carl Niemann
Blick vom Intihuatana del Rio oder Intiwatana de Aobamba
zum Intihuatana von Machu Picchu © Carl Niemann
Auf Grund dessen, dass diese Zone mit Pflanzen überwuchert ist und erst Ausgrabungen und Vermessungen weitere Details zu Tage fördern würden, kann gegenwärtig über geografische und astronomische Ausrichtungen oder Funktionen nicht einmal spekuliert werden. Das einzige, erkennbare Phänomen besteht darin, dass man mit einer Peilung vom Intihuatana del Rio als "Kimme" über den kleinen Intihuatana als "Korn" genau den Intihuatana von Machu Picchu einschließlich der Mauer mit den zwei Fenstern als Ziel bekommt.
Endes des 4.Teiles